Randfilmfest 2016

Shownotes

Nichts ist verstörender als die Realität. Diesen Eindruck bekommt man, wenn man sich in der allgegenwärtigen Nachrichtenlandschaft umsieht, wo unaufhörlich Tableaus von Schrecken, Blut und Wahnsinn einander ablösen und einen purpurnen Schimmer auf unsere blassen, sprachlosen Gesichter werfen.

Das Kino war seit jeher ein Ort, der den Schrecken des Alltags aufsaugen, sublimieren, und in der Fiktionalisierung letztendlich verarbeiten konnte. Ein Ort des Wach-Träumens, der vom Handlungsbedarf der Realität abgekoppelt und daher sicher war. Doch in den letzten Jahren hat die Grenze zwischen Kino und Realität eine noch nicht dagewesene Brüchigkeit erlangt. Schon auf der formalen Ebene werden sich Fernsehnachrichten, Youtube-Videos und Kinofilme immer ähnlicher. Terroranschläge, Amokläufe, Serienmorde sind von ihren Verursachern schon im Vorhinein auf ihre Medienwirksamkeit hin geplant. Bei jedem Verkehrsunfall sind mittlerweile Kameras dabei. Gopro und Smartphone sei Dank.

Mit dieser Verlagerung kommt es aber auch zu einem Paradigmenwechsel in der Verlässlichkeit der einzelnen Medien: In die vermeintlich wahrhaftigen Alltags- und Nachrichtenbilder schleicht sich der Verdacht der Manipulation, des Fiktionalen. Vor allem wenn es darum geht, eine breite Masse für bestimmte Ziele zu instrumentalisieren, sind Bilder dafür ideal, weil sie, viel unmittelbarer als Worte, am Intellekt vorbei direkt auf unsere Emotionen zielen. Umgekehrt wird plötzlich die Fiktion des Kintopps im Rahmen von Zensur- und Beschlagnahmungsdebatten in Frage gestellt.

Filme werden plötzlich als Ursache realer Gewalt benannt, anstatt nur als deren Abbild. Die Filmemacher selbst sonnen sich im Anschein von Authentizität, als würde schon der Verweis „nach einer wahren Begebenheit“ ein sattes Einspielergebnis garantieren. Erkunden die Grenzen des Snuff und arbeiten mit scheinbar „echtem“ Material. Der uralte Zuschauervertrag, der besagt, daß alle wissen, daß es sich hier nur um ein Spiel handelt, gilt nicht mehr.

In dieser Aufhebung liegt eine riesige Chance. Das Kino vermag viel tiefer in die Erfahrungswelt des Zuschauers einzugreifen und die daraus resultierende Verstörung kann unter Umständen bewirken, dass wir unsere vermeintliche Wirklichkeit etwas genauer, kritischer und schärfer betrachten. Für unser diesjähriges Programm erscheint der Themenschwerpunkt FICTION REALITY FEAR daher als zwingender Kommentar. Nicht zum aktuellen Weltgeschehen - sondern zu der Art, wie wir dieses Weltgeschehen wahrnehmen.

Realität ist letztendlich nur ein psychologisches Konstrukt höchst unzuverlässiger Sinneseindrücke, wobei dem Sehen stets ein besonders hoher Stellenwert beigemessen wird. Wenn schon sonst nichts verlässlich ist - unseren eigenen Augen können wir doch wenigstens trauen. Das sollten wir nicht!

Das Randfilmfest bietet einen öffentlichen Termin das Konstrukt kennenzulernen und das Subgenre vielseitig zu feiern.

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